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Prozesse & Digitalisierung

BBA - Akademie der Immobilienwirtschaft e. V., Berlin

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Von der Elektrifizierung zur Digitalisierung – es werde Licht in den Köpfen!

Wir wissen nicht im Detail, wohin der digitale Wandel die Immobilienwirtschaft führen wird. Aber neben der Unumkehrbarkeit des Prozesses steht fest: Die Veränderungen werden eine Dimension erreichen wie die Elektrifizierung des Alltags an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Dr. Hans-Michael Brey und Dr. Martin C. Wolff schreiben wider das kleinteilige Denken und für mehr Offenheit und Kooperationsbereitschaft.

Gewohnt wird immer. Gerade in Zeiten wie diesen an prosperierenden Immobilienstandorten mit minimalen Leerstand sind verführerisch. Ein jeder glaubt, sich zurückzulehnen zu können: Alles vermietet, mission accomplished! Sicherlich wird der Bedarf an Wohnungen auch in Zukunft weiterhin bestehen. Doch die Ansprüche an Wohnungen verändern sich mit nachrückenden Generationen stetig; und mit ihnen die Bereitschaft, einen bestimmten Mietpreis zu bezahlen. Oder umgekehrt: Fehlen gefühlte Standards, so steigt möglicherweise die Unzufriedenheit.

Wohnen wird vernetzter, ob es der Einzelne will oder nicht. Wir befinden uns in einer technologischen Zeitenwende, die vielfältige Auswirkungen nach sich ziehen wird. Niemand weiß, wie sich die Digitalisierung im Detail entwickelt, aber einige Dinge können wir mit Sicherheit sagen. Wer die englische TV-Serie Downton Abbey kennt, ahnt wie sich Wohnen und Leben durch den Einzug der Elektrizität veränderten. Elektrisches Licht zog in die Häuser ein, das Telefon ermöglichte eine neue Form der Kommunikation und die elektrische Waschmaschine setzte neue Hygienestandards. Im Ergebnis wurde Zeit gespart und personelle Ressourcen verfügbar gemacht. Auf eine ähnliche Art und Weise zieht die digitale Kommunikation in die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft ein. Zwei Ergebnisse lassen sich vorläufig festhalten:

  1. Digitalisierung bedeutet Kommunikation und die digitale Kommunikation bedeutet, dass alles mit allem redet. Es ist das Internet of Things (IoT), das ohne äußeres Zutun eine eigene Infrastruktur und eine eigene Logistik aufbaut. Wie einst die Elektrizität neue Ansprüche an den Brandschutz und die Kabelsicherheit stellte, sorgt das IoT z.B. für neue Ansprüche in der IT-Sicherheit – die digitale Version des Brandschutzes.
  2. Die Macht der Digitalisierung speist sich aus der Anzahl Schnittstellen und der Teilnehmerzahl. Grob gesprochen: Je mehr desto besser. Hier hat das IoT eine zweite Dimension hinzugefügt. Nicht nur Menschen kommunizieren mit Menschen, sondern auch Unternehmen mit Unternehmen bzw. Menschen mit Unternehmen. Ferner „sprechen“ Dinge mit Dingen und Menschen mit Dingen. Für jedes Unternehmen bedeutet das einen enormen Nutzen. Es wird möglich, Markt- und Kundeninformationen ohne Aufwand zu gewinnen. Beispiele der jüngsten Vergangenheit sind das Unternehmen Immobilienscout sowie die Plattform Wikipedia.

Somit lässt sich in einem Zwischenschritt folgern: Der Nutzen aus der Digitalisierung steigt, wenn Netzwerkeffekte vorangetrieben werden. Umgekehrt wird der Effekt unterbunden, wenn Barrieren der Kommunikation im eigenen Hause existieren. Da benutzt dann eine Abteilung die neue Technologie, während eine andere Abteilung auf Altbewährtes setzt. Der Netzwerkeffekt bedeutet auch, dass neue Technologien nicht auf einzelne Bereiche beschränkt werden dürfen. Daher werden in den Unternehmen Plattformen eingesetzt, um Zeit, Weg und Kosten einzusparen. Im Ergebnis reduziert sich der Bedarf an Personal. Mit Blick auf die demographische Kurve ist das nicht nur nützlich, sondern zwingend. Ferner setzt ein zweiter, gesellschaftlicher Effekt ein. Der Austausch von Daten, von Information und von Wissen mündet in einer neuen Doktrin, die von Digitalisierungsgiganten wie Microsoft und der Telekom wie folgt umschrieben werden: Die künftige Wertschöpfung speist sich aus dem Teilen von Daten. Ingo Hofacker, Senior Vice President Internet of Things, Deutsche Telekom, fasste die Verschiebung auf der Potsdamer Konferenz zur Industrie 4.0 unter dem Begriff „Intelligentes Partnering“ zusammen. Was so selbstverständlich daherkommt, stellt einen bisher nicht gekannten Wandel der Kultur dar. Das neue Miteinander kann nur aus Offenheit und Vertrauen aller Beteiligten untereinander erwachsen.

Wer Daten bunkert, fliegt aus dem Wettbewerb

Der Gedanke ist so schlicht wie eindeutig: Wenn IoT bedeutet, dass Alles mit Allem redet, dann muss das auch zwischen den Unternehmen passieren. Wird dieser Gedanke konsequent weiterverfolgt, ist ebenso mit den Wettbewerbern zu sprechen. Für klassische Unternehmen scheint das irritierend. Alexander Britz, Microsoft Deutschlands Senior Sales Director im Geschäftsbereich „Internet of Things“, formulierte es auf derselben Konferenz wie folgt: „Bei Microsoft haben wir vor ein paar Jahren noch in einem komplett anderen Weltbild gelebt – unsere Systeme waren für den Wettbewerber verschlossen. Heute haben wir sie für Kooperationszwecke geöffnet. Wir sind überzeugt, unsere Zukunft lässt sich nur über den Austausch von Daten erschließen. Wenn Sie über Wettbewerber sagen: "Der darf meine Daten nicht haben und mit dem arbeite ich nicht, dann sind Sie vermutlich in Zukunft nicht mehr mit im Spiel."

Wir erleben einen Systemwechsel

Die neue Spielregel lautet: Weg von der gewohnten Zurückhaltung und Geheimhaltung von Daten, hin zu einer neuen Offenheit und einem Austausch von Daten, um Synergien zu realisieren und daraus eine neue Form von Wertschöpfung zu betreiben. Die Schnittstellen des Datenaustausches sind Plattformen, zunehmend mit den mobilen Geräten wie Smartphones und Tablets sind das in der Regel Applikationen (Apps). Mit Hilfe von Plattformen und Apps werden neue unternehmerische Einheiten geschaffen, um neben der Kostenersparnis weitere Synergien für die Branche zu erschließen. Die Mechanik ist einfach: Alle Teilnehmer einer Plattform und alle Nutzer einer App stellen Informationen und Daten ebenso zur Verfügung, wie sie die bereits zur Verfügung gestellten Daten gleichzeitig einsehen. Der Wissensaustausch findet in Echtzeit statt.

So wie bei der Elektrifizierung seinerzeit, die Giganten wie General Electric und Siemens schuf, bedarf es zukünftiger Investitionen, um sich den Markt für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft zu erschließen. Eine solche Investition sind beispielsweise die Apps. Sie schaffen Schnittstellen zwischen Vermieter und Mieter. Ein Zusatznutzen wird generiert, indem sie eine Kommunikation mit Partnern, wie z.B. Handwerkern, ermöglichen. Ohne Aufwand können Informationen über Schäden und Instandhaltung an drei Stellen gleichzeitig hinterlegt werden: beim Handwerker, beim Verwalter und beim Mieter. Die Zeitersparnis und der Service werden ebenso wertgeschätzt wie die einsetzende Wertschöpfung.

Investitionen in Apps…

Die BUWOG group präsentierte im November 2017 bei den Digitalen Dialogen der BBA – Akademie der Immobilienwirtschaft, Berlin, unter dem Titel „Mieter-Interaktion 4.0“ den konkreten Nutzen: Sie lässt mit Hilfe ihrer Unternehmens-App „die Mieter mitverwalten“ – und tatsächlich verlagern sich viele kleine, aber aufwendige Aufgaben von der Verwaltung weg und werden von den Mietern selbst in die Hand genommen. Gegenwärtig nutzen nach neun Monaten 20 Prozent der Mieter die App. Dies führte bereits zu einer spürbaren Zeitersparnis bei Hausmeistern und Verwaltern.

Ein leicht zu übersehender Nutzen stellt die Professionalisierung der Kommunikation dar. Werden über die App Wohnungen vermietet, erhalten alle anderen Interessenten gleichzeitig eine standardisierte Absage von hoher Qualität per Knopfdruck – statt jedem einzelnen Interessenten eine E-Mail schreiben zu müssen.

… und in virtuelle Communities

Die Jost Hurler Beteiligungs- und Verwaltungs-GmbH & Co. KG erschließt mit einer ähnlichen App neue Geschäftsfelder: Sie baut eine virtuelle Community innerhalb des Quartiers Schwabinger Tors auf. Hierbei bietet sie nicht nur ein Schwarzes Brett 4.0 an, sondern koordiniert ein gemeinsames Car Sharing, wodurch der Anbieter der Elektroautos zum Teilnehmer und Akteur der App werden. Die Community profitiert von günstigeren Preisen. Deutlich wird, mit Hilfe der jeweiligen Plattform wird die Branche in die Lage versetzt, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die über das Wohnen hinausgehen und nebenbei in einer höheren Kundenzufriedenheit münden. Hier sei auf die Bereiche Einkauf, Altenpflege, Informationsaustausch, Mieterbetreuung und Dienstleistungen im Quartier verwiesen.

Vorausschauende Wartung von Haustechnik

Wird weitergedacht und die Apps werden mit dem IoT vernetzt, so ist es möglich, Objektdaten zu evaluieren, um z.B. Stromschwankungen zu dokumentieren. Der nächste Schritt wird dann die Integration einer predective maintenance sein: die vorausschauende Wartung von Geräten, die die Objektdaten auslesen. Um es schlichter zu formulieren: Dem Hausmeister wird durch ein Überwachungsgerät eine SMS mit dem Hinweis geschickt, das Licht im Keller zu löschen. Das senkt die Betriebs- sowie wie die Personalkosten. Softwarelösungen machen es möglich, auch heterogene Gebäudestrukturen in Echtzeit zu beobachten. Auf dem Microsoft Campus in Redmond mit 150 Gebäuden erfolgte der "return on invest" der Digitalisierung nach anderthalb Jahren. Eine alte Managerformel ist damit hochaktuell: „What get’s measured, get’s managed.“

Im Ergebnis verändert die Digitalisierung unternehmensinterne Prozesse. Neue Fragen und Aufgaben müssen bearbeitet werden: Hierunter fallen z. B. die Frage nach der Datenqualität oder auch die Fragen nach den rechtlichen und sicherheitstechnischen Anforderungen sowie nach der Datenerhebung und der -speicherung.

Digitalisierung bringt neue Risiken

Schließlich kommen, wie einst bei der Elektrizität, auch neue Risiken hinzu. Mit der Nutzung von Daten stellen sich die Verantwortung für ihre Speicherung, ihre Pflege und regulatorische Anforderungen ein. Eine ungesicherte IT-Infrastruktur in der Gegenwart ähnelt einer schlechten und nicht isolierten Stromleitung in der Vergangenheit: Sie sind schneller verfügbar und auch billiger; aber der Schaden entsprechend höher. Auch hier stehen wir am Anfang, doch es lohnt sich, das früh zu berücksichtigen.

Niemand weiß im Detail, wie sich die Digitalisierung entwickelt. Sicher scheint ihre unumkehrbare Dynamik. Es klingt wie eine Zumutung, aber das Unerwartete kommt. Es kann jedoch gemeistert werden mit Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit und der Bereitschaft, Kooperationsmodelle zu entwickeln, die bisher zu kleinteilig waren. Es wird nicht alles funktionieren, aber selten war Scheitern so ertragreich wie momentan. Worauf es ankommt ist, schlicht anzufangen!

Autoren:
Dr. Hans-Michael Brey FRICS, geschäftsführender Vorstand der BBA – Akademie der Immobilienwirtschaft e.V., Berlin; Dr. Martin C. Wolff, Geschäftsführer, BPK Consulting, Analytics & Digital Strategy, Berlin