Leute und Autos

BBA - Akademie der Immobilienwirtschaft e. V., Berlin

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Gedanken zum Thema Mobilität in Vorbereitung auf das Qualifizierungsprogramm "Mobilitätsmanagement für Wohnungsmarktakteure"

Anfang des 20ten Jahrhunderts hatte Henry Ford eine Vision: das Auto für jedermann. Heute würde man sagen, er hat eine Mobilitätswende eingeleitet.

Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen
Was passiert wäre, hätte Herr Ford tatsächlich Schmidts Rat folgend einen Arzt konsultiert, wissen wir nicht. Freuen wir uns stattdessen darüber, dass er es nicht getan hat. So durften Generationen von Menschen die Vorzüge ihres eigenen Autos genießen und damit die Freiheit und Unabhängigkeit, die wir mit ihm verbinden. Keine Frage, es ist einfach mehr wert als ein Haufen Blech, der die Straßen der Städte und Dörfer verstopft, dem Klima schädigt und den Jungen, wie auch den immer jung Gebliebenen als Statussymbol und Verführungsmobil dient. Apropos Verführung: Können Sie sich einen Autokinoabend in einem Carsharing-Modell vorstellen? Mit allem Drum und Dran? Lassen wir dies für den Moment so stehen und kommen zurück zu unseren Visionen.

Denn so eine hat auch die IAA. Und die verfolgt sie. Gnadenlos. Neues Konzept, neuer Name, neue Stadt. Die IAA Pkw Frankfurt war einmal. Ab diesem Jahr heißt es: Herzlich willkommen auf der IAA Mobility in München. Man sieht sich nicht mehr nur als “Zentrum von Mobilitätstrends sondern als aktiver Treiber des Wandels“. Mobilitätsmix und neue Infrastrukturen stehen im Fokus, es werden klimafreundliche Autobatterien vorgestellt und man spricht über - Fahrräder. Kurz: Klimaschutz und Mobilität sollen eine Einheit bilden. Neben digitalen Lösungen, wie in Form von „intelligenter“ Energie, geht dies vor allem auch über Quartierslösungen. Mobilität also als Form der Quartiersentwicklung. Mobilität als Bestandteil einer sozialraumorientierten Lebensumfeldgestaltung. Mobilität als Teil des Lebens, Arbeitens und Wohnens.

Festgefahren statt mobil. Die Sache mit dem Nutzer*innenverhalten
Vom Klimaschutz kann die Wohnungswirtschat mittlerweile ein Liedchen singen. Vor allem, wenn es um die Nutzerakzeptanz geht. Denn die ist es, die letzten Endes darüber entscheidet, ob und wenn ja, welche Investitionen angenommen werden. Sie ist es auch, die den Löwenanteil daran hat, dass es in den Jahren zwischen 2010 und 2020 trotz erheblicher Investitionen keine signifikanten Veränderungen beim Energieverbrauch im Gebäudesektor gab. Ziemlich sicher ist, dass jeglichen Investitionen in Mobilität ein ähnliches Schicksal droht, wenn sie der sozialen Akzeptanz der Nutzer*innen keine, bzw. nur eine geringfügige Bedeutung beimessen.

Was man im Stadtverkehr vielleicht noch durch Carsharing oder Fahrradstationen ausgleichen kann, ist in ländlichen Gebieten, insbesondere derer in Stadtnähe, wo die Pendler*innen wohnen, nicht so einfach. Hier kommt die U-Bahn nicht im 4-Minuten-Takt. Wenn überhaupt ein angemessenes ÖPNV-Netz besteht. Es ist also völlig klar: sollte man von der Stadt in den Speckgürtel Berlins ziehen, legt man sich vermutlich ein Auto zu. Und wenn der Vermieter doch einen Carsharing-Pool hat? Dann kommt man damit in die Stadt. Aber wer sagt denn, dass das Auto um Mitternacht dort noch steht? Und wenn man zwei Kinder durch die Gegend kutschieren müsste? Nimmt man dann das Lastenrad, welches der Vermieter vielleicht anbietet? Ganz ehrlich?

Warum gibt es eigentlich Autokinos?
Wenn wir jetzt, mehr als ein Jahrhundert nach Fords berühmten „Modell T“ wieder über eine Mobilitätswende, eine neue Mobilitätswende reden, mit neuen Konzepten, dann sollten wir neben den eher praktischen auch die ideellen Werte und Nutzen des Autos für seine*n Halter*in in unsere Gedanken mit einfließen lassen. Und wir sollten diesen Mehrwert in den Kontext unserer sozialen Handlungen und Aktivitäten und damit in den Kontext unserer Bedürfnisse setzen. Wie könnte unser Autokino von Morgen aussehen? Denn mal ganz unter uns: das mag ja ganz aufregend sein, aber irgendwann stößt auch ein Auto an seine praktischen Grenzen… Was wollen wir also wirklich im Autokino? Ist es tatsächlich der Film? Dann können wir auch Netflix starten. Oder eines der vielen Kinos in unserer Umgebung besuchen. Wie sähe eine echte Alternative zum Autokino aus?

Was sich nun liest wie ein Lobgesang auf das eigene Auto, soll im Grunde nichts anderes, als die Frage provozieren: Wie können Mobilitätskonzepte so gestaltet werden, dass sie einen echten, einen wirklichen Mehrwert für die Nutzer*innen bieten? Welchen Mobilitätsmix bedarf es, damit Verkehr weiterhin individualisierbar ist? Damit Angebote auch angenommen werden. Damit Investitionen nicht ins Leere laufen. Damit das Bedürfnis nach Mobilität auch wirklich ernst genommen wird. Damit Mobilität gleichberechtigt von allen mitbestimmt und gestaltet und gewisse Formen nicht bestimmt, gar erzwungen werden. Damit Alternativen zum eigenen Auto freiwillig und gerne angenommen werden. Damit eine Mobilitätswende auch wirklich funktioniert. Eine Mobilitätswende, die dann auch alle wollen.

Mobilitätsmanagement für Wohnungsmarktakteure
All das bedeutet, man muss sich branchen- und zielgruppenübergreifend mit Mobilität befassen. Man muss sich jede Mobilitätsform genau ansehen und ihren Einsatz und Nutzen identifizieren und planen. Dabei ist jedes Quartier, jede Stadt so individuell wie ihre Bewohnern*innen. Denn ein an die räumliche und infrastrukturelle Umgebung abgestimmte und an den sozialen und ökologischen Bedürfnissen der Anwohner*innen orientierte Mobilitätsangebote werden mit Lebensqualität in Verbindung gebracht und können so die Attraktivität ganzer Viertel beeinflussen. Positiv oder negativ. Nicht nur das macht Mobilität so relevant für die Wohnungswirtschaft. Ein ESG-konformes nachhaltiges Mobilitätskonzept könnte künftig auf Unternehmensebene eine bedeutsame Rolle einnehmen.

Daher bietet die BBA gemeinsam mit dem VcD – Verkehrsclub Deutschland e.V. im Herbst das sechstägige Qualifizierungsprogramm „Mobilitätsmanagement für Wohnungsmarktakteure“ an. Dieses nimmt die mittlerweile sehr groß gewordene Mobilitätsvielfalt in den Blick und umfasst neben der Vermittlung von theoretischem (Grund-) Wissen und Methodenkenntnissen auch die Anwendung und Umsetzung von Mobilitätsangeboten. Der Fokus liegt auf praktischen Übungen und der Erstellung von Mobilitätskonzepten sowie einem hohen Anteil an Best Practice-Beispielen aus ganz Deutschland.